Donnerstag, 13. September 2007
Mein Leben – die Musik
diedrich8, 20:16h
Haben sie auch ein Hobby? Ich muss leider gestehen, ich hatte bislang kein einziges. Da ich jedoch clever bin und an ein Leben nach der Pension glaube, habe ich vorgesorgt und nach Jahren rastloser und oftmals deprimierender Suche habe ich mein Hobby gefunden. Das war offen gestanden nicht so leicht, denn ich hatte mir als Beamter des mittleren Dienstes selbstverständlich ganz bestimmte Rahmenbedingungen gesteckt, die es galt einzuhalten. Es sollte kein Hobby sein, das überhaupt nix nützt, zuviel meiner kostbar bemessenen Zeit beansprucht und sogar noch etwas koset – ganz im Gegenteil - es sollte noch die Möglichkeit gegeben sein, einen kleinen Nebenverdienst zu erlangen. Denn meine Pension wird sicher gerade reichen, meine eigenen Bedürfnisse zu decken. Wenn ich denn überhaupt in Pension gehe, vielleicht muss ich ja bis 85 Jahre durcharbeiten. Für meine Tatjana sehe ich da ganz schön schwarz, die hat nicht einen einzigen Cent, so dass ich da doch sehr auf die Unterstützung ihrer Familie hoffe, die in einem kleinen Dorf in der Nähe der kasachstanischen Hauptstadt Astana leben. Ihr Vater soll dort ein hohes Tier im Amt für Korruption sein...
Ganz zufällig nun begab es sich vor längerer Zeit, dass Tatjana in einem mir nicht erklärbaren Zustand freudiger Erregung, ein kleines mir von der Melodie bekanntes Liedchen trällerte. Ich glaubte das russische Volkslied Kalinka, das Ihnen natürlich auch bekannt sein dürfte, zu hören und stimmte mit einer mir bislang unbekannten, ureigenen, wilden und stürmischen Leidenschaft in das Lied mit ein. Befreit von den vielen Jahren meiner Scheu vor den eigenen Sangeskünsten, die schon von meinem damaligen Musiklehrer als qualitativ nicht besonders wertvoll eingestuft wurden, sang ich plötzlich, als wäre es das Letzte, was ich noch zu tun hätte in meinem Leben. Nun war mir klar, was mir bislang in meinem Leben gefehlt hatte – Musik, Musik, Musik!
Fast fünfzig Jahre war die Menschheit von meinen Sangeskünsten verschont geblieben und nun brach es aus mir heraus wie ein, ja, wie ein Vulkan, der ich bislang lediglich physisch gewesen war!
Mir fielen plötzlich wieder die alten deutschen Volksweisen ein, die mein Vater nach dem Krieg so gern des Abends vor dem lodernden Kamin bei einer Tasse Tee mit viel Glanz und Wehmut in den Augen mir vorsang: „Im deutschen Land marschieren wir“, „War einst ein junger Sturmsoldat“ oder „Die Eisenfaust am Lanzenschaft“. Und seine Faust bewegte sich im Marschtempo: „Vorwärts Kameraden – wir müssen zurück!“ Ich glaube, ab dem Zeitpunkt ist mir das Singen vergangen, denn ich hörte natürlich in den 50er Jahren lieber heimlich den amerikanischen Feindsender AFN, den Sender, der die so genannte „Negermusik“, wie sie behördlich genehmigt hieß, nach Europa brachte.
Gerne erinnere ich mich auch an den Hardrocker Peter Kraus mit z.B seinem Song „Hula Baby“. Das war schon ein Lied mit einer revoltierenden Melodie und einem nicht weniger harten Text. Das ging ab: „Auf der Insel Filalila dort im Märchenland am weißen Palmenstrand ein braunes Mädchen stand“. Und besonders der Refrain hat schon was Hammerhartes: „Hula hula lula - Liebe, die schenke ich dir mein Baby heut Nacht, wenn der Wind uns bewacht...“ Das war die Zeit der Rocker!
Ich habe mich jedenfalls nach dem ekstatischen Singanfall ordentlich bei meiner Tatjana bedankt und ihr in diesem Zusammenhang klar gemacht, das sie in Zukunft nicht mehr zu singen bräuchte, das würde ich ab sofort übernehmen. Für die wichtigen Dinge im Leben bin nämlich ich zuständig und das weiß sie auch.
Sogar meine alte Wandergitarre, auf der ich damals mit etwa drei Akkorden die Welt verändern wollte aber letztlich nur verunsichert habe, hat das Dachbodendasein aufgeben müssen. Nun übe ich seit einiger Zeit mit ihr die Lieder, die mir ans Herz gehen, z.B. russische Volksweisen (ach, könnte mich mein Vater, der alte Landser hören) und Tatjana bekommt einen besonderen Glanz in ihren Augen, sodass ich schon überlege, ob ich mein Repertoire auf deutsche Schlager beschränke, denn die gute Frau, von lauter Sehnsucht gepackt, stand kürzlich im Mantel und kleinem Sturmgepäck. „Pärrr, ich Heimweh!“ „Ok“, antwortete ich doch einigermaßen überrascht, „aber bis Samstag solltest du bitte zurück sein, Mama kommt!“
Nützt ja nix!
Peer Weers
Ganz zufällig nun begab es sich vor längerer Zeit, dass Tatjana in einem mir nicht erklärbaren Zustand freudiger Erregung, ein kleines mir von der Melodie bekanntes Liedchen trällerte. Ich glaubte das russische Volkslied Kalinka, das Ihnen natürlich auch bekannt sein dürfte, zu hören und stimmte mit einer mir bislang unbekannten, ureigenen, wilden und stürmischen Leidenschaft in das Lied mit ein. Befreit von den vielen Jahren meiner Scheu vor den eigenen Sangeskünsten, die schon von meinem damaligen Musiklehrer als qualitativ nicht besonders wertvoll eingestuft wurden, sang ich plötzlich, als wäre es das Letzte, was ich noch zu tun hätte in meinem Leben. Nun war mir klar, was mir bislang in meinem Leben gefehlt hatte – Musik, Musik, Musik!
Fast fünfzig Jahre war die Menschheit von meinen Sangeskünsten verschont geblieben und nun brach es aus mir heraus wie ein, ja, wie ein Vulkan, der ich bislang lediglich physisch gewesen war!
Mir fielen plötzlich wieder die alten deutschen Volksweisen ein, die mein Vater nach dem Krieg so gern des Abends vor dem lodernden Kamin bei einer Tasse Tee mit viel Glanz und Wehmut in den Augen mir vorsang: „Im deutschen Land marschieren wir“, „War einst ein junger Sturmsoldat“ oder „Die Eisenfaust am Lanzenschaft“. Und seine Faust bewegte sich im Marschtempo: „Vorwärts Kameraden – wir müssen zurück!“ Ich glaube, ab dem Zeitpunkt ist mir das Singen vergangen, denn ich hörte natürlich in den 50er Jahren lieber heimlich den amerikanischen Feindsender AFN, den Sender, der die so genannte „Negermusik“, wie sie behördlich genehmigt hieß, nach Europa brachte.
Gerne erinnere ich mich auch an den Hardrocker Peter Kraus mit z.B seinem Song „Hula Baby“. Das war schon ein Lied mit einer revoltierenden Melodie und einem nicht weniger harten Text. Das ging ab: „Auf der Insel Filalila dort im Märchenland am weißen Palmenstrand ein braunes Mädchen stand“. Und besonders der Refrain hat schon was Hammerhartes: „Hula hula lula - Liebe, die schenke ich dir mein Baby heut Nacht, wenn der Wind uns bewacht...“ Das war die Zeit der Rocker!
Ich habe mich jedenfalls nach dem ekstatischen Singanfall ordentlich bei meiner Tatjana bedankt und ihr in diesem Zusammenhang klar gemacht, das sie in Zukunft nicht mehr zu singen bräuchte, das würde ich ab sofort übernehmen. Für die wichtigen Dinge im Leben bin nämlich ich zuständig und das weiß sie auch.
Sogar meine alte Wandergitarre, auf der ich damals mit etwa drei Akkorden die Welt verändern wollte aber letztlich nur verunsichert habe, hat das Dachbodendasein aufgeben müssen. Nun übe ich seit einiger Zeit mit ihr die Lieder, die mir ans Herz gehen, z.B. russische Volksweisen (ach, könnte mich mein Vater, der alte Landser hören) und Tatjana bekommt einen besonderen Glanz in ihren Augen, sodass ich schon überlege, ob ich mein Repertoire auf deutsche Schlager beschränke, denn die gute Frau, von lauter Sehnsucht gepackt, stand kürzlich im Mantel und kleinem Sturmgepäck. „Pärrr, ich Heimweh!“ „Ok“, antwortete ich doch einigermaßen überrascht, „aber bis Samstag solltest du bitte zurück sein, Mama kommt!“
Nützt ja nix!
Peer Weers
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